Wir reisen durch die Welt: Immer höher, schneller, weiter. Das nächste Abenteuer muss spektakulärer werden als das vorherige. Doch wonach suchen wir eigentlich? Ist unser Ziel nicht eigentlich irgendwo anzukommen, in der Natur, bei sich, im Moment?
Von diesen Gedanken begleitet, trauerte ich meiner sechswöchigen Pilgerreise auf dem Jakobsweg hinterher. Ein verpflichtender Termin nach dem nächsten, ließ mir nicht einmal mehr als drei Tage am Stück Zeit, um rauszukommen. Doch drei Tage können eine ganze Menge sein. Wie der Algorithmus es wollte (von Zufall kann man leider nicht sprechen), wurde mir ein Fernwanderweg in die Timeline gespielt: Nur eine Stunde von Köln entfernt, also zwei Stunden von mir, im flachen Belgien, bei perfektem Herbstwetter: Der Hoge Kempen Nationalpark Trail. Das perfekte Mikroabenteuer für ein verlängertes Wochenende.
Über den Hoge Kempen Nationalpark
Der Hoge Kempen Nationalpark befindet sich im niederländisch sprachigen Teil von Belgien, von Aachen aus in unter einer Stunde zu erreichen. Vielfältige Wälder voller Kiefern und Pilze, ausladende Heideflächen, Moore, Teiche, Dünen und sogar höhere Berge als die bekannten Drempel, hält der Nationalpark bereit. Der Park gehört zur belgischen Provinz Limburg (da wo der Käse herkommt). Egal ob du gern wanderst, Radfährst oder reitest, das Naturschutzgebiet in der flämischen Region hält einiges für dich bereit.
Der Hoge Kempen Nationalpark Trail

Der Hoge Kempen Nationalpark Trail ist 105 km lang und in 5 Etappen aufgeteilt. Wenn du mein Intro gelesen hast, wirst du spätestens jetzt stutzig. Da ich leider keine fünf Tage am Stück zur Verfügung hatte, ehe die Campingplätze für dieses Jahr schließen, bin ich die 3-Tages-Variante gewandert.
Tourdaten

Varianten des Hoge Kempen Nationalpark Trails
5-Tages Wanderung
Bei der 5-Tages Wanderung wanderst du den kompletten Trail mit seinen 105 km.
4-Tages Wanderung
Bei der 4- Tages Wanderung wanderst du Etappe 1, 2, 3 und dann über eine Vias Verbindung zurück zum Parkplatz, indem du 4 und 5 überspringst.
3-Tages Wanderung
Bei der 3-Tages Wanderung des Hoge Kempen Nationalpark Trails hast du zwei verschiedene Optionen:
- Entweder du wanderst Etappe 1, 2 und dann mitten durch den Park zu Etappe 5 und damit zurück zum Parkplatz
- Oder du wanderst mitten durch den Park zum Start von Etappe 3 und dann über 4 und 5 zurück zum Parkplatz
Wir haben uns für die erste Variante entschieden und sind insgesamt 70,6 km, davon etwa 60 des Nationalpark Trails, gewandert.
Die Reisenden
Auf dieser Tour hat mich der Abenteurer und Autor Jonas Heimbach begleitet. Da ihn angeblich noch nie ein Mensch ohne seinen Hut gesehen hat (ich schwöre, er schläft damit!), ist er auch im Unterholz bekannt als Der Hatpacker.
Tagebuch der Reisenden

Tag 1: Von Kattevennen bis Pietersheim
Angriff der Baggertierchen
Nach einer zweistündigen Anfahrt legten wir das Auto auf einem kostenlosen Parkplatz in Kattevennen schlafen, direkt am Start des Trails. Hier stellte sich uns direkt die erste Herausforderung: Eine Toilette zu finden. Bei dieser Challenge sind wir kolossal gescheitert. Klopapier und Schaufel wurden bei dieser Tour noch zu richtigen Freunden.
Der Trail ist gut ausgeschildert und schlängelt sich durch dichte Wälder, Moorlandschaften und zwischen Riesenpilzen hindurch. Eines meiner Highlights war das Finden der Fjordpferde, die hier zur Weidepflege eingesetzt werden. Neben Pferden, haben wir aber auch ein seltenes Baggertierchen gesichtet, das gerade dabei war Bäume zu fressen. Schnell weg hier, ehe es einen der dicken Birkenstämme mit Backpackern garniert frisst.
Nachdem wir stundenlang völlig allein auf diesem Trail unterwegs waren, sahen wir endlich wieder Menschen! Ein neugieriger Belgier konnte zum Glück besser Deutsch als wir Niederländisch, weshalb wir imstande waren eine Konversation zu führen. Der Mann geht jeden Freitag mit seinen Freunden wandern und hat sich ebenso wie wir gefreut, andere Menschen im Nationalpark zu treffen – anscheinend eine fast ausgestorbene Spezies.
Der bis dato flache und einfache Weg hielt dann doch noch einige Herausforderungen für uns bereit. Das Wasser ist über die Ufer getreten und das scheinbar nicht zum ersten Mal, denn Holzplanken führten uns durch den Morast. Höchste Priorität: Trockene Füße behalten. Gar nicht mal so einfach. Nicht einmal das Seil, mit dessen Hilfe wir über einen Bach schwingen konnte, half uns sonderlich weiter.
Trockenen Fußes erreichten wir schließlich den Campingplatz Jocomo Parc bei Pietersheim. An der Rezeption erhielten wir eine Karte, die sofort Flashbacks an Schottland bei mir auslöste. Als ich fragte, ob der Rezeptionist uns gleich auch den Standort der Highland Rinder einzeichnen würde, markierte er tatsächlich einen Punkt auf der Karte. Ob das nur ein Scherz war oder wir hier tatsächlich die zotteligen Kühe finden würden? Das ist eine Frage, deren Antwort wir uns auf Ewig schuldig bleiben würden, denn die Nacht holte uns viel zu früh ins Zelt. Ist immerhin schon Herbst.
Tag 2: Von Pietersheim bis Terhills
Wenn du auf dem Holzweg bist, bist du richtig
Wenn wir geahnt hätten, dass dieser Tag sich richtig in die Länge ziehen würde, wären wir früher aufgestanden. Gemütlich, noch nicht ahnend, dass wir am Ende richtig in die Bredoullie kommen würden, packten wir das feuchte Zelt ein und stiefelten los. Völlig übermotiviert, immerhin ist im Vergleich zu Schottland alles flach, machten wir einen 4 km Umweg (der oben in den Kilometern noch nicht eingerechnet ist!) zu einem belgischen Supermarkt mit noch warmen Zimtschnecken. Einen Umweg, den wir bitter bereuen würden, so gut er auch geschmeckt hat. Ein Anwohner fragte uns noch scherzhaft, ob wir uns verirrt hätten, da er uns schonmal vorbeilaufen gesehen hat.
Begleitet von der Musik einer Party am See, einem Mashup aus Sweet Caroline und Lindsey Stirling, fanden wir den Weg zurück auf den Hoge Kempen Nationalpark Trail. Immer weiter durch Wälder und Moore, nicht selten auf Holzstegen, die dem Sprichwort „Auf dem Holzweg sein“ eine völlig neue Bedeutung verliehen.
Neben einem Kletterabenetuer auf ein morsches Baumhaus (um neben den Zimtschnecken Pizzadonuts zu verdrücken), übten wir in einem Bambuswäldchen unsere Schwertkampftechnik und Jonas fand seinen neuen Begleiter: Einen Wanderstock aus Bambus. Trotz des Stockes war am Ende der Kraft noch zu viel Weg übrig. Die letzten sieben Kilometer heizten wir durch den Wald, um noch halbwegs im Hellen beim Pfahlcamping anzukommen: Eine Wildcampingfläche in der Nähe des Visitor Centers in Terhills. Trotz unseres raschen Tempos, befeuert von den jaulenden Motoren und quietschenden Bremsen der Autos (die unterwegs waren auf der uns nicht näher bekannten Rennstrecke), kamen wir im Dunkeln an und bauten im Schein der Stirnlampe unser Nachtlager auf. Zum Glück gab es hier sogar eine Toilette, auch wenn die Dusche für uns verschlossen blieb.
Tag 3: Von Maasmechelen zurück nach Kattevennen
Nicht nur Jesus kann übers Wasser laufen
Nach einem Warm up auf dem Spielplatz in Terhills, wurde unsere Weltsicht direkt einmal auf den Kopf gestellt: In Belgien gibt es doch Berge! Und zwar mit einer wunderschönen Aussicht auf den Hoge Kempen Nationalpark. Hier wurde auch gleich das nächste Rätsel gelöst, denn laut Karte, sollten wir übers Wasser laufen. Ein Glück, dass es sich diesmal um keinen Holzweg handelte.
Völlig fair verteilten wir mittels Wippe das Gewicht auf unsere Backpacks, eine adäquate Alternative zur Kofferwaage. Kaum hatten wir die Berge hinter uns gelassen, ging es querfeldein, denn wir verließen den Hoge Kempen Nationalpark Trail, um abzukürzen und mit etwas Verzögerung auf die fünfte Etappe der Route und damit zurück zum schlafenden Auto zu gelangen. Da es hier keine Beschilderung gab, der wir folgen konnten, fühlten wir uns wie in einem Labyrinth aus Blättern und Bäumen (also es gibt schon eine, wir haben uns nur nicht richtig informiert und die Vias Xe ignoriert). Am Ende, der Parkplatz war schon in Sicht, glaubte Google Maps deutlich mehr an uns, als wir es selbst taten, und wollte uns nochmal einen 40-minütigen Umweg um den Parkplatz herum schicken. Aber nicht mit uns Abenteurern, die den direkten Weg, ohne nochmal über Los zu ziehen oder ins Gefängnis zu gehen, wählten.
Leider verlief die Rückfahrt nach Hause alles andere als reibungslos. Ich war noch niemals in Maastricht? Jetzt schon! Dank einer Straßensperre lernten wir die Verkehrsregeln der belgischen Dörfer kennen und fanden erst in Maastricht unseren Weg zurück auf eine Autobahn. Neben normalen sonntägigen Staus im Kölner Raum, war der im Sandwichrestaurant Subway der größte, der uns eine weitere Stunde Zeit kostete und uns im Dunkeln ankommen ließ. Zum Glück lösten sich alle weiteren Verkehrsstaus schneller auf, als wir fahren konnten.
Kosten des Hoge Kempen Nationalpark Trails
Die Anreise mit der Bahn hätte uns nicht nur Stunden gekostet, sondern wäre auch deutlich teurer gewesen als die Fahrt mit dem Auto. Für die Verpflegung hatten wir einen Gaskocher und Proviant dabei, haben uns aber auch im Supermarkt nochmal Naschereien gegönnt. Restaurants und Cafés haben wir, trotz vorhanden in Fülle, nicht wahrgenommen.
Fazit: Für wen ist der Hoge Kempen Nationalpark Trail geeignet?
Du hast zwischen 3 und 5 Tage Zeit? Belgien ist nicht weit entfernt, liegt sowieso auf deiner Urlaubsroute oder ist sogar ein Hauptpunkt deiner Bucketlist? Du möchtest eine Fernwanderung ohne viele Höhenmeter, liebst Wälder, Moore und Heidekraut? Beim Fernwandern schläfst du entweder im Zelt oder buchst dir Hotels/ähnliche Unterkünfte? Etappen von um die 25 km sind kein Problem für dich? Du magst Ruhe und nicht zu überlaufene Wege?
Dann ist der Hoge Kempen Nationalpark Trail etwas für dich!

Mich hat besonders die abwechslungsreiche Natur, die Ruhe und klare Luft sehr beeindruckt. Die Belgier sind unglaublich lieb und neugierig und mit Maastricht hast du eine Stadt in der Nähe, die sich für einen kulturellen Ausflug anbietet. Obwohl der Trail aufgrund der geringen Höhenmeter recht einfach auf mich wirkte, hatten die langen Tagesetappen es doch in sich. Der gute Untergrund und die ausgezeichnete Beschilderung des Weges, haben es allerdings recht einfach gemacht. Besonders lohnt sich die Zeit der Heideblüte, wenn alles lila erstrahlt und du noch mehr Farbvielfalt erleben kannst. Mir haben besonders die kleinen Mikroabenteuer wie das Schwingseil, das versteckte Baumhaus, die Fjordpferde, der Abenteuerspielplatz und die Holzplanken im Moor gut gefallen.
Manchmal muss man nicht weit reisen, um Abenteuer zu erleben. Manchmal reichen die kleinen Mikroabenteuer vor der Haustür, in die Natur zu kommen und ein trockenes Wochenende im Herbst, um den Kopf freizubekommen.



























Die Abenteuer liegen halt doch manchmal direkt vor der Haustür…
Ein schöner, lebendiger Bericht über einen mir bis dato unbekannten Nationalpark – und Belgien hält noch viel mehr solcher Überraschungen bereit!
Die nicht näher bekannte Auto-Rennstrecke ist die von Zolder, die der älteren Leserschaft ☝️ sogar noch als Formel 1 Kurs bekannt sein könnte. Aber andere Zielgruppe.
Ach ja… traue niemals Jonas, wenn er sagt, ein Tier sei total selten (Nachfragen bei ihm erlaubt 😌).
Danke für den Bericht und gerne mehr davon!