Interview: Leben und arbeiten als Digitaler Nomade

Fidan Güntürkün

Arbeiten unter Palmen. Dann aufstehen, wann du es willst. Die ultimative Freiheit bei der Gestaltung deines Arbeitsplatzes. Klingt das nicht traumhaft?
Der Begriff Digitaler Nomade ist nicht mehr nur ein unerreichbarer Traum. Auch du kannst selbstbestimmt leben und arbeiten. Geld von überall auf der Welt verdienen.
Fidan hat den Schritt gewagt und ist in das Freelancer Dasein eingestiegen. Und bei ihr hat auch alles mit einem Sabbatical angefangen. Wie sie es geschafft hat unabhängig von Ort und 40-Stunden-Woche zu arbeiten, erfährst du im Interview.

Hey Fidan,
ein Sabbatical hat dir den ersten Impuls für deinen Start in die Selbstständigkeit gegeben. Was genau hat dich zu der Entscheidung gebracht, ein Leben als Digitaler Nomade zu führen?

2013 habe ich nach dreizehn Jahren Berufsleben zum ersten Mal eine längere Auszeit eingelegt und bin im Rahmen meines Sabbaticals insgesamt acht Monate durch Asien und Australien gereist. Damals kannte ich das digitale Nomadentum noch nicht und eine Selbständigkeit war für mich nicht vorstellbar.
Nach dieser Reise kehrte ich in meinen Beruf zurück. Die Reise sollte eine einmalige Sache sein. Allerdings fiel mir der Alltag in Deutschland schwer und ich konnte kaum wieder Fuß fassen. Nach einem Jahr beschloss ich, erneut meine Zelte in Deutschland abzubrechen. Aber dieses Mal richtig und länger. Mit einem Work & Travel Visum ging in wieder nach Australien und blieb insgesamt für fünfzehn Monate. Bei dieser zweiten Langzeitreise beschäftigte ich mich zum ersten Mal mit der Selbständigkeit und einem Leben als digitale Nomadin. Ich wollte einfach selbstbestimmt leben und ortsunabhängig arbeiten. Reisen wohin und wie lange ich will – das war mein Traum.

Wie sieht die gelebte Realität, jetzt sechs Jahre nach dem ersten Sabbatical, bei dir aus?

Im Januar 2017 habe ich mein Business als Virtuelle Assistentin und Freelancerin gegründet und heute verbringe ich die meiste Zeit auf Bali oder in Australien. Ich kann mich sehr gut von meiner Selbständigkeit finanzieren und führe ein völlig ortsunabhängiges Leben. Die Sommermonate verbringe ich gern in Deutschland.

Wie kommst du an Aufträge?

Heute kommen meine Kunden durch Empfehlung oder sie finden mich über Social Media bzw. meine Website. Ich habe im Juli 2017 eine eigene Jobbörse für Virtuelle Assistenten ins Leben gerufen, die heute über 3000 Mitglieder zählt. Diese Facebook-Gruppe ist eine der größten kostenlosen Jobplattformen für VAs.
Zu Beginn habe ich die Plattformen MachDuDas.de, DNX.Jobs und verschiedene Facebookgruppen zur Kundenakquise genutzt.

Hast du dir spezielle Fähigkeiten für deinen heutigen Job aneignen müssen, bevor du starten konntest?

Arbeitsplatz eines digitalen Nomadens

Ich habe erst einmal mit meinen Fähigkeiten gestartet, die ich bereits aus meinem Berufsleben hatte. Das klassische Backoffice habe ich ja jahrelang gemacht. Nach und nach habe ich mir natürlich mehr Fähigkeiten – insbesondere rund um das Online Business – angeeignet. Mein Service und meine Fähigkeiten, die ich heute anbiete, haben allerdings nichts mehr mit meinem erlernten Beruf oder meiner früheren Berufstätigkeit zu tun.

Du bietest selbst Kurse an, für Menschen, die Virtuelle Assistenten werden wollen. Wie hast du dir damals deine Fähigkeiten angeeignet?

In meine Onlinekurse* und Workshops habe ich mein gesamtes Wissen aus über 2 Jahren Tätigkeit als VA und Freelancerin gepackt. Allerdings biete ich keine Kurse für die fachliche Ausbildung an, denn der Aufgabenbereich einer VA ist so breit gefächert, dass ich nicht jeden Bereich abdecken kann.
Bei mir kann man lernen, wie man ein erfolgreiches VA-Business aufbaut. Die Fähigkeiten muss man schon selbst mitbringen oder zumindest bereit sein, eigenständig zu erlernen. Meine Fähigkeiten habe ich mir durch die Kundenarbeit, Recherche, Onlinekurse, Webinare und den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen angeeignet.

Welche Voraussetzungen sollte ein Mensch deiner Meinung nach mitbringen, um als Freelancer erfolgreich zu werden?

Definitiv ein positives Mindset, eine hohe Motivation sowie eine Risikobereitschaft für die Selbständigkeit. Man muss sich im Klaren darüber sein, was es bedeutet selbständig zu sein. Darüber hinaus natürlich entsprechende Skills, die man anbieten möchte oder aber zumindest die Bereitschaft dafür, diese zu lernen.
Freelancer zu sein bedeutet nicht nur, ein Angebot für die Kunden zu haben. Man muss unternehmerisch denken und handeln können und es muss einem bewusst sein, dass man vorerst alles allein erledigen muss. Dazu gehört Buchhaltung, Kundenakquise und Marketing. Es gehört eine große Portion Selbstdisziplin, Verantwortung und Organisationstalent dazu wenn man Erfolg haben möchte – insbesondere wenn man arbeiten und reisen verbinden möchte.
Außerdem ist es einfacher wenn man kommunikationsstark ist und keine Berührungsängste hat, denn der größte Erfolg kommt dann, wenn man ein großes und gut funktionierendes Netzwerk an Partnern, Kollegen und Kunden hat.

Lock Down Under

Digitale Nomadin hängt beim Housesitten in Australien fest

Du hast Lust auf einen Reiseroman mit Gefühlsknistern und Persönlichkeitsentwicklung?

2019 stand ich vor der Wahl: Nach Deutschland zurück oder als digitale Nomadin weiterreisen. Ich entschied mich für den festen Wohnsitz – zum Glück, denn kurz darauf war Reisen nicht mehr möglich. Wie hätte meine alternative Lebensrealität ausgesehen, wenn ich während des Lockdowns in Australien festgehangen hätte? Erlebe es mit Maya und Troy in Lock Down Under!

Was heißt …?

Du hast erzählt, dass du viel Zeit auf Bali und in Australien verbringst. Wie lebst du unterwegs, wenn du mehrfach im Jahr das „Wohnland“ wechselst?

Housesitting mit Haustier

Ja genau, die meiste Zeit verbringe ich auf Bali oder in Australien. In Deutschland habe ich keine feste Wohnung mehr. Den Sommer verbringe ich trotzdem immer gern in Deutschland und miete mir dann einfach eine möblierte Wohnung auf Zeit in meiner Heimatstadt. Wenn ich auf Bali bin, miete ich mir ein schönes Zimmer in einem Guesthouse und in Australien wohne ich dank Housesitting die meiste Zeit mietfrei. Auch Airbnb Wohnungen nutze ich sehr gern zwischen den einzelnen Housesits.

Hast du auch schon mal Co-Living oder Co-Working Spaces ausprobiert?

Nein, aber des werde ich sicherlich mal ausprobieren. Ich gehe jedoch gern zu Events in Co-Working-Spaces weil man dort so toll Netzwerken kann. Zum Arbeiten suche ich mir ruhige Plätze.

Hat das Leben als Digitaler Nomade so schön, wie man es sich vorstellt? Arbeiten unter Palmen, immer irgendwo im Sommer …
Welche Schattenseiten hat es?

Sicherlich wird auf Social Media und in anderen Medien das Leben als Digitaler Nomade nur von seinen schönsten Facetten gezeigt. Arbeiten wo andere Urlaub machen, mittags an den Strand, immer eine Kokosnuss in der Hand und zwischendurch wird gearbeitet. In der Realität ist es teilweise anders. Man muss seine Aufträge trotzdem erledigen, egal wie schön das Wetter, der Pool oder der Strand ist. Da ist die Verlockung schon eine große Herausforderung. Die Zeitverschiebung zu Kunden in Deutschland kann manchmal auch ein Hindernis sein. Des Weiteren muss man sich ständig um Visa-Angelegenheiten kümmern, weil man nur eine gewisse Zeit in einem Land bleiben darf. Aber alles in allem ist das Leben als Digitaler Nomade echt schön und nie langweilig.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus (falls es so etwas überhaupt gibt) und wie viel arbeitest du täglich?

Ich stehe morgens früh auf (ohne Wecker!) und trinke erst einmal ganz in Ruhe einen Kaffee. Manchmal checke ich währenddessen bereits meine E-Mails oder meine Facebook Nachrichten. Den Vormittag verbringe ich mit Kundenaufgaben. Nach dem Mittagessen erledige ich entweder weitere Aufgaben oder kümmere mich um eigene Projekte wie Blogbeiträge, Newsletter, Onlinekurse oder Coachings für Virtuelle Assistenten.
Insgesamt arbeite ich täglich etwa zwischen 6 und 8 Stunden. An den Wochenenden arbeite ich auch, aber deutlich weniger.
Auch wenn ich einen strukturierten Tagesablauf habe kann es sein, dass ich spontan mal an den Strand spazieren gehe oder mir Sehenswürdigkeiten anschaue. Ich habe das Glück, dass ich mir meinen Tag flexibel gestalten kann, mag aber auch meine festen Strukturen.


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Das klingt nach guter Selbstorganisation. Hast du dir schon einmal Gedanken um die Zukunft gemacht?

Mein Partner, mit dem ich schon sehr lange zusammen bin, ist immer dabei. Natürlich machen wir uns auch Gedanken um die Zukunft, aber keine negativen oder gar ängstlichen. Wir sorgen privat vor und haben uns von sämtlichen Versicherungen distanziert. Ich bin kein großer Freund von Versicherungen, aber das ist Geschmackssache. Um die Rente mache ich mir eigentlich keine Sorgen da es auch in einer Festanstellung nicht sicher ist, ob und wie viel ich im Rentenalter bekomme. Außerdem lasse ich mir nicht von einem Gesetz oder Staat vorschreiben, bis zu welchem Alter ich arbeiten muss und wann ich damit aufhöre. Ich mache das so lange wie ich will und kann. Ich bin in solchen Fragen viel lockerer geworden als noch vor fünf Jahren.

Eine weitere Frage zu einem sehr leidigen Thema: Wie macht ein Digitaler Nomade das mit den Steuern, wenn er gar keinen Wohnsitz mehr in Deutschland hat?

Selbst wenn man sich aus Deutschland abmeldet kann man immer noch ein Gewerbe in Deutschland haben und seine Steuern in Deutschland bezahlen. Eine Alternative ist die Gründung eines Unternehmens in einem anderen Land. Hierzu gibt es Quellen im Netz, wenn man sich näher mit dem Thema auseinandersetzen möchte.

Aktuell hast du einen Praktikumsplatz als Virtueller Assistent ausgeschrieben. Wie sehr wird der Praktikant auch einen Einblick in das digitale Nomadenleben bekommen?

Der Praktikant / die Praktikantin wird vorrangig fachlichen Einblick erhalten. Ich werde künftig regelmäßig Praktikumsplätze vergeben weil ich festgestellt habe, dass vielen angehenden Virtuellen Assistenten das praxisorientierte Lernen fehlt. Einen Einblick in das digitale Nomadenleben gebe ich nicht, denn das ist ja mehr ein Lifestyle und diesen kann sich jeder selbst kreieren.
Das Praktikum wird ausschließlich online stattfinden. Der Praktikant / die Praktikantin erhält von mir Schulungsvideos, wir treffen uns regelmäßig zum Videocalls und werden per E-Mail und einem Messenger kommunizieren.

Praktikant/in gesucht als Virtueller Assistent

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview, liebe Fidan.

Ich hoffe Fidan konnte dir einen kleinen Einblick in ihr Leben und Arbeiten unter Palmen geben. Welche Fragen sind noch offen? Was wäre für dich das größte Hindernis, ein Leben als Digitaler Nomade zu führen?

Dir hat das Interview mit Fidan gefallen? Schau vorbei, für weitere Informationen rund um die Arbeit als Virtueller Assistent:

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14 Comments

  1. Liebe Alexa, das ist ein richtig tolles Interview geworden! Ich könnte mir auch vorstellen irgendwann mal als Digitale Nomadin zu arbeiten 🙂

    Liebe Grüße,
    Angie

    1. Hey Angie,

      vielen Dank =) Ich bin froh, Fidan als Interviewpartnerin gefunden zu habe.
      Wenn du dich für das Thema interessierst, kann ich dir ihre Webseite und Facebookgruppe nur empfehlen. Die stecken nämlich voller Tipps um loslegen zu können.

      Liebe Grüße,
      Alexa

  2. Liebe Alexa!

    Ich finde das Interview ganz toll und interessant. Ich muss schon sagen, dass der Beruf Digital Nomad einen gewissen Reiz hat 🙂

    Alles Liebe
    Alisa

    1. Hey Katrin,

      ich denke unsere Arbeitswelt wird in Zukunft viel flexibler sein, als sie es jetzt ist.
      Nicht nur da digitale Nomadenleben ist ein Traum, sondern auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und dazu bietet sich ortsunabhängiges Arbeiten ebenfalls an.

      Liebe Grüße,
      Alexa

  3. Sehr interessantes und inspirierendes Interview. Und ich kann gut bets, wie sich sich nach der Weltreise zuhause im alten Job gefühlt hat. Es ist echt nicht so einfach wieder „anzukommen“ 🙂

    1. Hey Nele,

      das glaube ich dir. Bin mal gespannt, wie es mir ergehen wird. Aber noch habe ich viel zu viel Zeit vor mir, um mir darüber schon Gedanken machen zu müssen.

      Liebe Grüße,
      Alexa

  4. Hey Alexa,

    dieser Artikel kommt ja genau zur richtigen Zeit für mich.

    Ich war ja gerade bei der Nomad Week und habe mich dort auch ganz intensiv mit dem Thema „ortsunabhängiges Arbeiten“ auseinander gesetzt.

    Ich bin selbst total gespannt, was, wieviel und wann ich das alles umsetzen werde.

    Das Interview war für mich jedenfalls mega interessant.

    Liebe Grüße,
    Sabrina

    1. Hey Sabrina,

      oh von der Nomad Week habe ich noch nichts gehört. Damit sollte ich mich auf jeden Fall mal beschäftigen.

      Halt mich mal auf dem Laufenden, wie das bei dir läuft. Ich drücke dir die Daumen, dass du alles umgesetzt bekommst, was du dir vorstellst.

      Liebe Grüße,
      Alexa

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