Introvertiertheit auf Reisen

Introvertiertheit auf Reisen – wie dir Schubladendenken auf Reisen helfen kann

Ich mag kein Schwarz-Weiß-Denken, liebe das Leben und die Menschen in meinem Umfeld in all ihren Facetten und Eigenheiten. Nicht nur das Schwarze und Weiße, die Graustufen, sondern auch die Farben und Vielfalt, die jeder einzelne zu bieten hat.

Bei meiner Recherche für mein neues Jugendbuch, bin ich auf den Blog Vanilla Mind gestoßen. Ein Blog für introvertierte, schüchterne und hochsensible Menschen. Und ich habe mich in zwei der Punkte voll wiedergefunden.

Bisher hatte ich mir nie viele Gedanken über Introvertiertheit und Schüchternheit als Schublade gemacht. Ich bin immer davon ausgegangen, dass das eine das andere bedingt. Dabei sind es zwei komplett verschiedene Facetten. Von außen manchmal nicht zu unterscheiden, denn der Unterschied kommt von innen.

Introvertiert vs. Extrovertiert

Introvertierte Menschen sind nach innen gerichtet. Sie machen sich viele Gedanken, sind ruhiger, weniger euphorisch und strahlen keine besonders große Präsenz aus. Das klingt im Vergleich zu den Extrovertierten Menschen sehr negativ, die nur in einen Raum kommen müssen, um direkt aufzufallen, die ihre Euphorie nicht in Grenzen halten können und sagen was sie denken, ohne es vorher zu zerdenken.
Die Vorteile eines introvertierten Menschen sieht man erst auf den zweiten Blick. Denn durch ihre Innenausrichtung haben sie eine gute Selbstkenntnis und können sich viel besser in Menschen hineinversetzen. Sie sind gute Zuhörer, haben hohe analytische Fähigkeiten und handeln bedacht.
Du findest dich jetzt nicht in all diesen Punkten wider? Keine Sorge, so ging es mir auch, als ich dann die Artikel von introviertiert.org las.

Eigenschaften von Ex und Introvertierten Menschen

Es ist nicht alles Schwarz oder Weiß

Ein allein reisender, introvertierter Mann. Ich reise auch allein und bin ja jetzt Introvertiert. Trotzdem fand ich mich in seinen Artikeln 10 Dinge, die ein Introvertierter nie machen würde und 15 Tipps für introvertierte Reisende nicht wieder. Bin ich jetzt also doch nicht introvertiert?

Stell dir Introvertiertheit und Extrovertiertheit wie eine lange Gerade vor. Es gibt die ganz stark Introvertierten, die Introvertierten und die mit einem Hang zur Introvertiertheit. Genauso verhält es sich mit der Extrovertiertheit. Nicht alle Definitionen müssen auf dich zutreffen. Aber eine Tendenz wirst du bei dir selbst feststellen können. Wenn du Eigenschaften beider Seiten besitzt und die sich etwa die Waage halten, dann bist du Ambivertiert.

Introvertiertheit und Extrovertiertheit

Und wie hilft mir das ganze jetzt?

Bisher habe ich es immer als Nachteil betrachtet, eine nicht aussagekräftige Präsenz zu besitzen. Meine Gefühle nicht nach außen tragen zu können und immer so viel nachdenken zu müssen.
Doch jetzt betrachten wir mal die ganzen Vorteile: Wer viel denkt, versetzt sich in viele verschiedene Szenarien, behält einen Überblick über das Gesamte und handelt bedacht. Wenn ich in mein Umfeld blicke, haben die introvertierten Menschen die Jobs im Projektmanagement und Organisationsbereich, nicht die Extrovertierten.
Ein introvertierter Mensch ist einfühlsamer, ein guter Zuhörer. Ebenfalls bis zu einem gewissen Grad keine schlechte Eigenschaft. Natürlich musst du hier aufpassen dich nicht kaputt zu fühlen und dich nicht ausnutzen zu lassen.

Gut, ich bin jetzt Introvertiert und stecke in dieser Schublade – Was fange ich mit diesem Wissen an?

Jeder Mensch hat einen Akku, der von Zeit zu Zeit aufgeladen werden muss. Du kennst das bestimmt auch, dass du dich nach einem langen Tag auf der Arbeit/in der Schule total müde und kaputt fühlst. Oder wenn du einen ganzen Tag auf Reisen bist und die unterschiedlichsten Einflüsse auf dich einprasseln. Jetzt wird es Zeit den Akku zu laden. Und für introvertierte- und extrovertierte Menschen gibt es zwei verschiedene Ladegeräte.
Während die extrovertierten unter Menschen voll und ganz aufblühen und Kraft aus der Gruppendynamik schöpfen, werden Introvertierte eher leer gesaugt von großen Menschenmengen. Du lädst deinen Akku am besten auf, indem du dir Zeit für dich nimmst. Sei es bei einem guten Buch, einem Spaziergang oder einer Runde Yoga.

Aha, und wie ist das auf Reisen?

Ich habe von anderen Weltreisenden immer vorgeschwärmt bekommen wie toll es ist als Alleinreisender neue Leute kennenzulernen. Und dass das ja so schnell geht.
Tja, um ehrlich zu sein empfinde ich das als unglaublich anstrengend. Denn ich bin der Beobachter, der Analyst. Ich beobachte Menschen und Situationen so lange, bis ich sie einschätzen kann und dann erst agiere ich so, wie ich es für den Moment passend halte. Irgendwo verstelle ich mich da natürlich. Im besten Fall nehme ich Abstand zu den Leuten, bei denen ich mich verstellen müsste.
Bis ich mich an eine neue Situation und neue Menschen gewöhnt habe, sind sie beim Reisen schon wieder aus meinem Leben verschwunden. Denn nichts ist so beständig wie die Unbeständigkeit auf Reisen. Und das raubt dir die Kraft.

Introvertiert auf Reisen

Also sollte ich als introvertierter Mensch besser nicht reisen?

Quatsch, auch wenn ich mit introviertiert.org´s Artikeln nicht immer einer Meinung bin, handelt es sich doch um einen introvertierten Reiseblogger, der jahrelang als Digitaler Nomade um die Welt gezogen ist. Er hat das geschafft, warum also du nicht?
Du kannst deine Weltreise allerdings nicht angehen, wie die ganzen extrovertiert reisenden Menschen. Denn du brauchst ein anderes Ladegerät. Hier meine wichtigsten Ladestationen für dich:

  • Gönne dir von Zeit zu Zeit ein Zimmer für dich
    Hostels mit Mehrbettzimmer sind günstiger, da wirst du oft nicht drum herum kommen. Hier gibt es folgendes zu beachten:
    Mir persönlich ist aufgefallen, dass je größer die Zimmer, desto größer die Anonymität. Bisher bin ich in 4-Bett Zimmern eigentlich immer ins Gespräch mit den anderen Reisenden gekommen. Im 20-Bett Zimmer waren alle so rücksichtsvoll, dass keiner miteinander geredet hat. Das hat mich weniger unter Druck gesetzt mit jemanden sozial interagieren zu müssen. Andererseits hast du in einem 4-Bett Zimmer mehr Privatsphäre. Und wenn es gar nicht mehr geht: Verbringe ein paar Tage in einem Motel oder einer günstigen Lodge.
  • Wwoofing, helpx und Co
    Suche dir Stellen für längere Aufenthalte, in denen du ein konstantes Umfeld hast. Ich habe in Neuseeland innerhalb von einem Monat drei verschiedene helpx-Stellen gehabt. Und jedes Mal ging das Eingewöhnen von vorne los. Für mich wäre es besser gewesen, nur eine Stelle gehabt zu haben.
  • Plane dir Erholungszeit nach Gruppenaktivitäten ein
    Mein Ausflug nach Piha war einer der schönsten in Neuseeland. Nur Alleinreisenden in einer Kleingruppe von acht Personen, die auch noch dazu ermutigt werden miteinander zu sprechen. Ich habe richtig schnell Anschluss gefunden, hatte einen wundervollen Tag und war am nächsten so ausgelaugt, dass ich mit niemanden ein Wort geredet habe, nur mein Buch gelesen habe und den Einkauf dank Selbst Check Out Kasse gemeistert habe. Selbst mit der Kassiererin zu sprechen war mir an dem Tag zu viel. Vermutlich lag es auch daran, dass ich nur Englisch gesprochen habe in der Zeit und mich das nochmal zusätzlich leer gesaugt hat. Trotzdem: Diese Auszeit war richtig! Und keine verlorene Zeit.
  • Mit der Person deines Vertrauens minderst du deine Schüchternheit
    Als mein Freund mit mir zusammen gereist ist, konnte ich ihn vorschicken. Ich wusste, dass er einkaufen gehen würde, wenn mir das nach einem langen Tag zu viel wird. Und mir war egal, ob die anderen im Hostel mich mögen, denn immerhin eine Person war da, die das tut. Wenn du schüchtern und introvertiert bist, reise am Anfang mit jemanden zusammen, der dir gut tut, bevor du dich an die Königsdisziplin, dem Alleinreisen wagst.

Und wie ist das jetzt mit der Schüchternheit?

Die kommt sowohl bei introvertierten, als auch extrovertierten Menschen vor. Bei letzteren natürlich weitaus seltener.
Schüchternheit ist der Puderzucker auf dem Kuchen. Kuchen isst man besser ohne Puderzucker, wenn du dich nicht einstauben willst.
Okay, das war jetzt der Versuch diese Charaktereigenschaft mit etwas Schönem zu vergleichen. Ist mir glaube ich nicht ganz gelungen.
Wenn du introvertiert und schüchtern bist: Glückwunsch du hast den Jackpot im Herausforderungen meistern gewonnen. Und darf ich dir mal was sagen? Wenn du trotzdem allein auf Reisen gehst, bist du für mich einer der stärksten Menschen der Welt. Denn du hast ganz andere Herausforderungen zu meistern, als dein un-schüchternes extrovertiertes Gegenstück. Ich vermute, dass es deshalb nicht so viele von uns gibt: Schüchtern, introvertiert und allein auf Reisen.

Aber worin liegt jetzt der Unterschied? Ich versuche es dir mal anhand eines Beispiels zu erklären:


Beispiel:

Introvertiert: Du beobachtest eine Situation so lange, bis du sie einschätzen kannst, um dann bedacht zu handeln.

Schüchtern: Du beobachtest eine Situation so lange, bis du sie einschätzen kannst, weil du Angst vor Ablehnung anderer hast.


Kurz gesagt ist Schüchternheit eine Form von Angst. Angst vor Ablehnung beim Knüpfen zwischenmenschlicher Beziehungen.

Ich habe irgendwann gelernt, mir mein Leben von der Schüchternheit nicht nehmen zu lassen. Meine Dank Introvertiertheit analytischen Fähigkeiten haben es geschafft, das Worst Case Szenario für mich auszuarbeiten, das eintreten könnte, wenn ich doch mal über meinen Schatten springe. Mehr als sterben kann ich nicht, war mein Motto. Und wenn ich sterbe, dann ist es sowieso zu spät mich drüber zu ärgern. Nur, dass es dabei nicht um einen waghalsigen Fallschirmsprung ging, sondern darum, sich im Unterricht zu melden und vor versammelter Klasse zu sprechen. Ihr nicht Schüchternen lacht jetzt vielleicht. Aber ehrlich: Allein schon beim Pizzalieferservice anrufen, um eine Margarita für die Mittagspause zu bestellen, wird zur Herausforderung, wenn du schüchtern bist.

Was lernen wir jetzt daraus?

Wenn du Introvertiert bist, gehe nicht mit falschen Erwartungen an deine Reise. Du wirst nicht Party machend die Königin von Mallorca. Dazu bist du einfach zu unauffällig. Und mal ganz ehrlich? Willst du das überhaupt?

Hör auf dein Bauchgefühl. Was willst du heute machen? Was tut dir heute gut?
Und wenn es eine einsame Wanderung an einem See ist, statt auf die Free Walking Tour der Stadt zu gehen, dann ist das auch okay. Setze dich selbst nicht unter Druck, ein anderer Mensch zu sein.

Weitere Artikel rund um das Thema Introvertiertheit:


Nach oben führt auch ein Weg hinab von April WynterBegleite Maddy und ihren Grandpa in die Rocky Mountains!

Im Mai 2020 erscheint mein in Kanada spielender Jugendreiseroman, der durch meine Weltreise inspiriert wurde.

Kann Spuren von Fernweh enthalten!
Erhältlich als eBook und Taschenbuch.

Erfahre mehr!


1 Comment

  1. „Ich habe von anderen Weltreisenden immer vorgeschwärmt bekommen wie toll es ist als Alleinreisender neue Leute kennenzulernen. Und dass das ja so schnell geht. Tja, um ehrlich zu sein empfinde ich das als unglaublich anstrengend. “

    Das spricht mir aus der Seele! Ich blogge selbst (hauptsächlich für Introvertierte) und habe den gleichen Gedanken schon in einigen Beiträgen verarbeitet. Vor meinem Auslandssemester meinten alle, dass es die beste Zeit meines Lebens werden würde und ich so viele neue Leute kennen- und liebenlernen müsste. Tja, es war eine spannende Zeit, aber Freundschaften sind nicht geblieben und oftmals fühlte ich mich etwas verloren.

    Alles in allem wollte ich dir für den Beitrag danken. Zum einen, weil ich mal wieder auf der begeisterten Leserseite (statt auf der begeisterten Schreiberseite) stehen durfte und zum anderen, weil ich immer froh bin, zu wissen, dass solche Beiträge existieren und von anderen gefunden werden, die noch lernen, ihre Introvertiertheit zu verstehen und zu schätzen.

    Liebe Grüße
    Jennifer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert